Textiltechnik: Natur- und Kunstfasern

Textiltechnik: Natur- und Kunstfasern
Textiltechnik: Natur- und Kunstfasern
 
Textilfasern stammen von Pflanzen und Tieren oder aus der Chemiefabrik. Das gemeinsame Bauelement von Natur- und Chemiefasern sind dicht aneinander liegende und miteinander verknäulte, lange Molekülketten.
 
Die Art der Molekülketten (chemischer Aufbau), die Anordnung der Ketten im Faserinnern sowie die amorphen und kristallinen Bereiche (morphologischer Aufbau) bestimmen die physikalisch-chemischen Eigenschaften einer Faser. Durch die weitere Verarbeitung und Veredelung werden diese Eigenschaften verändert oder es entstehen zusätzliche Eigenschaften.
 
Fasern sind feine, haarähnliche, relativ kurze Gebilde, die aus einer Vielzahl von Molekülketten bestehen. Man bezeichnet sie auch als Makromoleküle oder Polymere. Sie entstehen auf natürlichem Weg in Pflanzen oder Tieren (Naturfasern) oder werden synthetisch gebildet (Chemiefasern, Kunstfasern, Synthetics).
 
Filamente sind Textilfasern von außerordentlich großer Länge. Sie werden mit Ausnahme von Seide künstlich hergestellt. Seide ist das einzige natürliche Filament, das eine Länge von mehr als 1000 Metern pro Faden erreichen kann. Die Länge der anderen Naturfasern liegt bei einem bis sechs Zentimetern bei Baumwolle, 45 bis 90 Zentimetern bei Langfaserflachs, 10 bis 25 Zentimetern bei Kurzfaserflachs und 5 bis 15 Zentimetern bei Wolle.
 
Pflanzenfasern bestehen hauptsächlich aus dem Polymer Zellulose, das aus dem Baustein (Monomer) Glucose aufgebaut ist. Auch die polymere Speichersubstanz Stärke ist aus Glucose aufgebaut, unterscheidet sich aber in der Art der Verknüpfung der Monomeren und in den daraus resultierenden stofflichen Eigenschaften stark von Zellulose. Pflanzenfasern sind weitgehend beständig gegenüber Laugen. Bei den Pflanzenfasern unterscheidet man Samen-, Bast- und Hartfasern. Die Samenfasern sind die weichen Haare der Baumwollsamen und der Kapokfrucht. Baumwolle ist die einzige Samenfaser, die für Textilien verwendet wird. Kapokfasern lassen sich wegen ihrer geringen Festigkeit und Glätte nicht verspinnen. Sie werden aber wegen ihres sehr hohen Luftgehalts von 80 Prozent als Dämmstoff und Füllstoff in Polstereien genutzt. Die Bastfasern von Flachs, Hanf und Ramie befinden sich im Pflanzenstängel und werden von Pflanzenleim zusammengehalten. Daher sind sie nicht so leicht zugänglich wie die Samenhaare der Baumwolle. Bastfasern müssen zum Spinnen entsprechend aufbereitet werden.
 
Die Blatt- oder Fruchtfasern von subtropischen und tropischen Pflanzen sind besonders hart. Beispiele sind Kokos- und Sisalfasern, die zur Untergruppe der Hartfasern zählen. Die Nutzungsmöglichkeiten der zahlreichen Bastfasern reichen von feinen Stoffen bis hin zu Tauen und Seilen. Der Erwähnung bedarf ferner die Verwendung von Pflanzenfasern zur Herstellung von Papier.
 
Tierische Fasern bestehen aus komplexen Proteinen. Sie sind im Unterschied zu den Pflanzenfasern gegen Säuren relativ beständig. Die monomeren Bausteine der Proteine sind die Aminosäuren. Keratin heißt das Protein, aus dem Wolle und Haare bestehen. Hauptbestandteil der Seide ist das Protein Fibroin.
 
Bei den zellulosischen und synthetischen Chemiefasern wird die Faserbildung vom Mensch eingeleitet und gesteuert. Natürliche Zellulose, die aus Kiefernholz oder Baumwollabfällen gewonnen wird, stellt den Ausgangsstoff von zellulosischen Chemiefasern wie Viskose, Acetat, Triacetat, Modal, Lyocell und Cupro dar. Ausgangsstoffe für synthetische Chemiefasern (Synthetics) sind Erdölprodukte.
 
Zu Beginn der Chemiefaserära orientierte man sich noch stark an pflanzlichen oder tierischen Faservorbildern. So weisen beispielsweise Wolle und Polyamid die gleiche chemische Grundstruktur (Amidbindung) zwischen den Monomeren auf. Die Monomere unterscheiden sich aber in beiden Faserarten. Von manchen Materialeigenschaften her ist jedoch Polyacryl diejenige synthetische Faser, die dem Naturprodukt Wolle noch am nächsten kommt.
 
Heute werden die Fasern den gewünschten Eigenschaften entsprechend entworfen und produziert. Ein Beispiel sind Aramide, aromatische Polyamide, bei denen Ringmoleküle (Aromaten) über Amidgruppen zu Kettenmolekülen verbunden sind. Dies ergibt einen erhöhten Anteil kristalliner Bereiche zwischen den Molekülketten und damit eine hohe Festigkeit und Temperaturbeständigkeit. Kleidung aus Aramidfasern schützt daher in gewissem Umfang vor Verletzungen.
 
Modacrylfasern sind abgewandelte Polyacrylfasern, die flammhemmende Eigenschaften besitzen. Sie werden zu Schutzkleidung und Dekostoffen verarbeitet. Ein weiterer Typ, poröse Acrylfasern, besitzt viele Hohlräumen, in denen Feuchtigkeit gut gespeichert werden kann. Daher eignet er sich besonders für weiche, saugfähige Sportunterwäsche.
 
Die verschiedenen Spezialfasern werden nicht nur für Bekleidungszwecke, sondern in größerem Umfang für technische Textilien mit speziellen Anwendungsgebieten eingesetzt. So werden beispielsweise im Automobilbau Reifencord, Sicherheitsgurte, Bezüge und Wagenplanen aus synthetischen Chemiefasern hergestellt, die vor allem hohen Belastungen standhalten müssen. Im Flugzeugbau muss die gesamte Innenausstattung aus schwer entflammbaren Materialien bestehen. Allein für Raumfahrtanzüge sind 20 neue Synthetics entwickelt worden. Die moderne Medizin wäre nicht denkbar ohne chirugische Fäden oder elastisches Verbandsmaterial, bis hin zum Ersatz von Bändern in Gelenken. Die Bauwirtschaft setzt Folien und Schaumstoffplatten bei Bedachungen und zum Schall- und Wärmeschutz ein. Die Industrie benötigt Filter, Schläuche, Verpackungen und Schnüre in großem Umfang. Und nicht zu vergessen ist der Sport- und Freizeitbereich, wo Kunststoffe heute eine überragende Rolle spielen: Von der Tennisschlägerbespannung über die federleichte und atmungsaktive Trainingsbekleidung bis hin zum Sportboot besteht alles aus optimierten Chemiefasern.
 
Wie bedeutend der gesamte Chemiefaserbereich in Deutschland ist, lässt sich aus der Menge der verarbeiteten Fasern ermessen. Ein Großteil davon geht in den Export.
 
Bei Naturfasern sind vor dem Spinnen mehrere Arbeitsgänge nötig. Zunächst müssen die Fasern aus den Pflanzen oder vom Tier isoliert, gereinigt und parallel ausgerichtet werden. Die Gewinnung und Weiterverarbeitung unterscheidet sich bei Baumwolle, Leinen und Hanf, Wolle und Seide, zellulosischen und synthetischen Chemiefasern auch schon aufgrund der unterschiedlichen chemischen und mechanischen Eigenschaften der Fasern.
 
 
Weltweit ist Baumwolle die wichtigste Faserpflanze. Die frostempfindliche Baumwollpflanze, ein tropisches Malvengewächs, bevorzugt warmes, arides Klima, wobei während der Frühentwicklung ausreichende Wasserversorgung und später trockenes Wetter wichtig sind.
 
Besonders die in riesigen Monokulturen angebaute Baumwolle ist anfällig gegen Schädlinge und braucht intensive Düngung. Ein Fünftel der weltweit verbrauchten Düngemittel und Insektizide landen auf Baumwollfeldern. Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gehen davon aus, dass jährlich 1,5 Millionen Menschen durch den gesamten Pestizideinsatz gesundheitliche Schäden erleiden, 28 000 davon mit tödlichen Folgen.
 
Dass es auch anders geht, beweist der kontrolliert biologische Baumwollanbau, bei dem auf Kunstdünger und chemische Schädlingsbekämpfung verzichtet wird. Die Baumwolle wird meist in Fruchtfolge mit Erdnüssen oder Mais angebaut. In größerem Umfang wird Baumwolle nach diesen Richtlinien in Indien (Maikaal-Projekt) kultiviert. Die Kleinbauern erhalten zudem Beratung und eine Abnahmegarantie für ihre Baumwolle. Bislang macht der Anteil an Baumwolle aus kontrolliert biologischem Anbau weltweit zwar nur ein Promille aus, diese Ansätze sind aber durchaus ermutigend.
 
Seit 1969 hat sich die Weltproduktion an Rohbaumwolle etwa verdoppelt, obwohl die Anbauflächen nur um ein Zehntel zugenommen haben. Die Produktionssteigerung ist auf eine Erhöhung der Flächenerträge zurückzuführen, die durch ertragreichere Sorten, bessere Bewässerungsmethoden, intensivere Düngung und Pflanzenschutz sowie maschinelle Ernte möglich waren.
 
Die Anbaufläche weltweit entspricht etwa der Größe der Bundesrepublik Deutschland (35,9 Millionen Hektar). Die sechs größten Anbaugebiete liefern etwa drei Viertel der weltweiten Baumwollproduktion: China (23 Prozent), USA (20 Prozent), Indien (12 Prozent), Pakistan (9,5 Prozent), Usbekistan (6,3 Prozent) und die Türkei (4,5 Prozent).
 
Gute Baumwollqualitäten werden von Hand geerntet. Dem Reifefortschritt entsprechend wird innerhalb mehrerer Wochen einige Male geerntet. Da die Lohnkosten für Arbeitskräfte in Ägypten, im Sudan und in Südamerika vergleichsweise gering sind, ist die Ernte von Hand dort noch wirtschaftlich. In den USA und den GUS-Staaten erntet man hauptsächlich maschinell.
 
Ein Produkthinweis auf handgepflückte Baumwolle ist nicht gleichbedeutend mit pestizid- oder gar chemikalienfreiem Anbau. Naturfasern aus kontrolliert biologischem Anbau nach der IFOAM-Richtlinie (International Federation of Organic Agriculture Movements) oder der EU-Biokennzeichnungsverordnung werden von unabhängigen Institutionen zertifiziert. Kleidungsstücke aus diesen Fasern findet man hauptsächlich im Naturtextilsektor.
 
Werden die unreifen Kapseln und die Blätter mitgeerntet, leidet die Qualität der Baumwolle. Daher wird meist ein vorzeitiger Blattabwurf durch giftige Entlaubungsmittel erzwungen. Nach dem Verlust der Blätter reifen die restlichen unreifen Kapseln gleichzeitig nach und können dann maschinell geerntet werden. Mit Entkörnungsmaschinen werden die Fasern vom Samen getrennt. Dabei bleiben ganz kurze Fasern (Linters) am Samen haften. Sie eignen sich nicht zum Verspinnen, sind aber unter anderem als Rohstoff für die Herstellung von zellulosischen Chemiefasern verwendbar.
 
Fasern werden vor allem nach ihrer Länge (Stapel) bewertet. Wertvolle, langstapelige Sorten werden hauptsächlich in Ägypten und Peru, die mittellangstapeligen und wirtschaftlich wichtigsten in den USA und kurzstapelige in Asien angebaut. Seit einigen Jahren werden auch wieder die früheren farbigen Baumwollsorten in Braun- und Grüntönen kultiviert.
 
Maschinell und handgepflückte Rohbaumwolle enthält noch Reste der Samenkapseln, Blätter, unreife und sehr kurze Fasern, die vor dem Verspinnen in einem Reinigungsschritt entfernt werden müssen. Die äußere Faserschicht besteht aus Wachs, das Wasser abperlen lässt. In dieser Form ist Baumwolle nicht so saugfähig, wie es für Textilien wünschenswert ist. Zudem enthält sie Schmutz und je nach Art des Anbaus Verunreinigungen durch Pflanzenschutzmittel. Diese werden durch Kochen mit Natronlauge in der Vorbehandlung der Textilveredlung weitgehend ausgewaschen.
 
Die Pestizidprobleme in den Erzeugerländern spitzen sich zu, da die Giftstoffe dort wegen fehlender finanzieller Mittel oder aufgrund mangelnder Umweltauflagen nicht angemessen entsorgt werden.
 
Charakteristisch für Baumwolle ist, dass sie sehr gut Feuchtigkeit beziehungsweise Schweiß aufnimmt. Dies liegt am Aufbau der Zelluloseschichten, die schräg gegeneinander verlaufen und eine Gitterstruktur bilden. In den so entstandenen Hohlräumen können sowohl Wasser als auch Farbstoffe gut eingelagert werden. Baumwolle kann bis zu 20 Prozent Wasserdampf aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen, und bis zu 65 Prozent ihres Eigengewichts an Feuchtigkeit speichern, ohne zu tropfen. Sie trocknet allerdings auch nur langsam. Wegen ihrer Feinheit und Weichheit ist sie sehr hautfreundlich.
 
Baumwolle hält mittelmäßig warm, ist reißfest, scheuer- und strapazierfähig, lädt sich kaum elektrostatisch auf, weil sie immer etwas Feuchtigkeit enthält, die die Ladungen ableitet. Baumwolle ist wenig elastisch und knittert stark. Sie ist einerseits anfällig für Mikroben und Pilze, andererseits aber heiß waschbar, wobei Mikroben und Pilze abgetötet werden.
 
Spezifische Veredelungsverfahren wie das Mercerisieren (Behandlung mit Natronlauge) verändern die Eigenschaften der Baumwolle.
 
 
Bei Flachs (Lein) handelt es sich um eine alte Kulturpflanze und die wichtigste einheimische Faserpflanze. Bis zu Beginn der maschinellen Verarbeitung der Baumwolle war Flachs die bedeutendste Textilfaser in Europa. Baumwolle und später die Chemiefasern drängten Flachs so weit zurück, dass in den 1950er-Jahren die Flachserzeugung in Deutschland vorübergehend eingestellt wurde. Der Flachsanbau und die Fasergewinnung sind aufwendig und arbeitsintensiv. Seit Anfang der 1990er-Jahre ist Flachs wieder in Mode. Neben den etwa 3400 Hektar Anbaufläche in Deutschland wird Flachs heute vor allem in Frankreich, Belgien und den Niederlanden angebaut und verarbeitet.
 
Beim Ernten wird Flachs nicht gemäht, sondern gerauft, also mitsamt der Wurzel ausgerissen, um möglichst lange Fasern zu gewinnen. Früher war das eine anstrengende Handarbeit, heute gibt es dafür Maschinen. Um die Faserbündel zu isolieren, legt man nach Abstreifen der Fruchtkapseln die gebündelten Pflanzen zur Röste in Wasser (Wasserröste) oder lässt sie in taureichen Gebieten auf dem Feld liegen (Tauröste). Dabei zersetzen Bakterien oder Pilze den Pflanzenleim, der die verschiedenen Schichten in den Stängeln zusammenhält.
 
Nach der Röste werden die Stängel in Warmluftöfen getrocknet und die verholzten Teile von der Faser entfernt. Als Brechen und Hecheln bezeichnet man das Auskämmen des Bastes zu verspinnbaren Faserbündeln (Langfaserflachs). Dabei werden die Kurzfasern und Holzteile entfernt, der Langfaserflachs verfeinert und in Längsrichtung ausgerichtet.
 
Die Leinenfasern der Flachspflanze sind ähnlich aufgebaut wie Baumwollfasern. Durch den Pflanzenleim, der die Fasern umgibt, ist Leinen steifer und an der Oberfläche glatter und damit weniger geschmeidig als Baumwolle. Leinen glänzt mehr als Baumwolle, ist wenig schmutzanfällig und flust nicht, das heißt, es gibt keine Faserstücke ab. Daher eignet sich Leinen beispielsweise gut für Geschirrtücher.
 
Leinen ist sehr strapazierfähig und deshalb langlebig. Die Leinenfaser dehnt sich nur wenig, die Elastizität ist sehr gering, und deshalb knittert Leinen stark. Das Knittern der Leinenstoffe wird werbesprachlich auch als »Edelknitter« bezeichnet.
 
Garne und Gewebe aus Leinen haben kaum Lufteinschlüsse. Daher eignet es sich für wärmende Winterkleidung nicht. Aufgrund der hohen Wärmeleitfähigkeit fühlen sich Leinenstoffe frisch und kühl an — ein Effekt, der bei Sommerkleidung als angenehm empfunden wird. Leinen ist sehr saugfähig, nimmt Feuchtigkeit schnell auf und gibt sie auch rasch wieder an die Umgebung ab. Leinen lädt sich kaum elektrostatisch auf.
 
 Hanf
 
Die Hanfpflanze gehört zur Familie der Maulbeerbaumgewächse (Moraceae). In China und Indien ist Hanf seit etwa 1500 vor Christus bekannt und dient vor allem zur Bereitung von Heilmitteln und Rauschgift (Marihuana, Haschisch). Jedoch werden auch die Fasern — ähnlich wie Leinen — genutzt. Im Mittelalter galt Kleidung aus Hanf als Zeichen der Armut. Daher wurde er in erster Linie zur Herstellung von Tauen und Seilen verwendet und erlangte im 16. Jahrhundert große Bedeutung für die Segelschifffahrt. 1925 brachten Ägypten, die Türkei und andere Länder Hanf auf die Verbotsliste der zweiten internationalen Opiumkonferenz des Völkerbundes. Dies führte zu einer fast weltweiten Ächtung des Hanfs. Deutschland reagierte 1929 auf den Beschluss der Opiumkonferenz, und der Handel und der Konsum von »indischem Hanf und seinem Harz« wurde unter Strafe gestellt.
 
Seit 1996 ist der Anbau von Faserhanf, der praktisch kein rauschmittelhaltiges Harz mehr enthält, hierzulande wieder erlaubt. Hanf wird heute in Deutschland auf einer Fläche von 1400 Hektar angebaut, etwa der Hälfte der Flachsanbaufläche.
 
Weltweit ist die Bedeutung von Hanf vergleichsweise gering. Als nachwachsender Rohstoff mit vielfältigen Einsatzmöglichkeiten steht Hanf aber ganz im Zeichen des Umweltschutzes. Die Pflanze wird zur Ernährung, für Kosmetik und in der Bauindustrie genutzt sowie zu Heilmitteln, Papier und Textilien verarbeitet. Bisher kommen die meisten Hanfstoffe aus Osteuropa und China. Neben klimatischen Problemen beim Anbau gibt es in Deutschland nach der langen Zeit des Anbauverbots noch immer zu wenig Verarbeitungsanlagen. Die Rohfasergewinnung erfolgt ähnlich wie bei Flachs.
 
Die Fasern haben eine sehr hohe Festigkeit (20 Prozent reißfester als Leinen). Die Oberflächenbeschaffenheit des Hanfstoffes ergibt einen harten, kühlen Griff, eine geringe Anschmutzbarkeit und eine leichte Schmutzabgabe beim Waschen.
 
Bei Wasseraufnahme wird Hanf steif. Die Fasern sind im Gegensatz zu anderen Naturfasern auch im Wasser sehr beständig und faulen kaum. Man verwendet Hanf vorwiegend in der Seilerei, für Feuerwehrschläuche, für Planen, als Untergewebe für Teppiche und neuerdings wieder vermehrt für Kleidung und Accessoires.
 
 
Im engeren Sinn bezeichnet man nur die Haare des Schafs als Wolle. Fasern aus dem Haarkleid anderer Tiere, wie beispielsweise Kamel, Lama, Angorakaninchen oder Mohairziege, nennt man Tierhaare.
 
Der Weltbestand an Schafen betrug 1997 knapp 1053 Millionen, der durchschnittliche jährliche Wollertrag 2,5 Kilogramm pro Schaf. In der Bundesrepublik Deutschland sind die Schafbestände rückläufig, sodass die Wolle meist importiert wird. Die wichtigsten Ausfuhrländer sind Australien, Neuseeland, Argentinien, Südafrika und Uruguay. Etwa 80 Prozent des Weltexportes von Merinoschafwolle kommen heute aus Australien und Südafrika.
 
Schurwolle aus intensiver Schafhaltung kann nicht umweltverträglich produziert werden. In großen Herden gehalten zertrampeln die Schafe die Erde, fressen die Böden kahl und hinterlassen eine große Menge Fäkalien. Allein in Neuseeland gibt es 65 Millionen Schafe. Neben der begehrten Schafwolle produzieren sie — wie andere Wiederkäuer auch — Methan, das zum Treibhauseffekt und damit zur globalen Erwärmung beiträgt. Bei der Rohwollreinigung wird das Abwasser außer mit Wollfett und Schmutz auch mit Pestiziden belastet. Inzwischen gibt es jedoch Verfahren, um Fett und Schmutz sofort abzufangen.
 
Eine Wollfaser besteht aus Faserschicht, Schuppenschicht und einer feinen Außenhaut. Die Faserschicht mit vielen spindelförmigen Hornzellen ist für die Kräuselung der Wolle verantwortlich und sorgt für Festigkeit und Elastizität. Die Schuppen sind wie Dachziegel angeordnet, schützen die Wollfaser und können miteinander verhaken, wobei Wollfilz entsteht. Die feine Außenhaut wirkt als Membran, die Wasserdampf aufnehmen und abgeben kann, Wassertropfen perlen an ihr ab.
 
In den relativ glatten Kammgarnen sind die feinen Wollfasern fest eingebunden und können kaum kräuseln. Feine Kammgarne schließen weniger Luft ein und haben deswegen ein geringeres Wärmeisolationsvermögen (Cool Wool). Voluminöse Streichgarne haben dagegen eine lockere Garnstruktur. Die Wollfasern liegen gekräuselt im Garninnern vor und isolieren durch viele Lufteinschlüsse gegen Kälte. Zudem bilden sich im Gewebe und besonders im Gestrick viele kleine Hohlräume, die mit Luft gefüllt sind. Lufteinschlüsse wirken isolierend, da Luft ein schlechter Wärmeleiter ist. Selbst stark gezwirntes Wollgarn besteht noch zu 60 Volumenprozent aus Luft.
 
Wolle kann bis zu einem Drittel ihres Gewichtes an Feuchtigkeit in Form von Wasserdampf aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen. Regentropfen weist die Wollfaser zunächst ab, nimmt sie dann nur sehr langsam auf. Umgekehrt trocknet Wolle allerdings auch langsam. Da Wolle immer eine bestimmte Menge an Feuchtigkeit enthält, lädt sie sich kaum elektrostatisch auf. Daraus ergibt sich ein angenehmes Tragegefühl und die Schmutz abweisende Wirkung, denn Staub und Schmutzpartikel werden nicht angezogen. Wolle kann Säuren chemisch binden und neutralisieren. Zudem bietet sie Mikroorganismen einen schlechten Nährboden, sodass Schweißgeruch verhindert wird und man Wolle seltener waschen muss. Als Reinigung genügt oft das Lüften der Wollsachen in der freien Natur, insbesondere bei nebligem Wetter.
 
Die Weichheit der Wollfasern ist von der Feinheit und dem Anteil von natürlichem Fett (Lanolin) abhängig. Lammwolle und die feine Merinowolle sind besonders weich. Gröbere Wolle kann Hautreizungen verursachen.
 
Die Festigkeit von Wolle ist ausreichend, jedoch geringer als die der übrigen Bekleidungsfasern — Wolle ist nicht besonders scheuerfest, besitzt aber gute Elastizität.
 
Damit sich Wolltextilien nicht verformen, sollte tropfnasse Wolle liegend getrocknet werden. Knitterfalten in Wollkleidung werden bei Dampfeinwirkung wieder glatt.
 
 
Als tierisches Naturprodukt stammt Seide überwiegend vom Maulbeerspinner (Bombyx mori), der für die Seidenproduktion gezüchtet wird. Er durchläuft während seiner Entwicklung vier Stadien: vom Ei über die Raupe zur Puppe und schließlich zum Schmetterling. Die aus dem Ei geschlüpfte Raupe ernährt sich von den Blättern des Maulbeerbaums. Dabei betätigt sich die Raupe als wahrer Vielfraß: Für ein Gelege von hundert Schmetterlingen wird etwa eine Tonne Maulbeerblätter gebraucht. Das Anfangsgewicht der Raupe von drei Millimetern Länge beträgt weniger als ein zweitausendstel Gramm. Die ausgewachsene Raupe wiegt bei einer Länge von neun Zentimetern 3,5 bis 4 Gramm. Innerhalb von 33 Tagen nimmt die Länge um das 30fache und das Gewicht um das 7000- bis 8000fache zu. Vier bis fünf Tage nach der letzten Häutung fressen die Raupen nicht mehr und suchen sich ein geschütztes Plätzchen zum Einspinnen, also zum Bilden des Seidenkokons. In der Seidenproduktion setzt man jede Raupe in ein kleines Pappfach eines Seidensetzkastens, in dem sie sich innerhalb einiger Tage in eine Puppe verwandelt, die voll und ganz von einem dichten Seidenfaden, dem Kokon, umgeben ist. Die Kokons werden herausgeholt, in heißer Luft getrocknet — wobei die Puppen absterben — und nach Größe, Beschaffenheit und Farbe sortiert gelagert. Die Kokons sind der Rohstoff für die Seidengewinnung: 1000 Kilogramm Seidenkokons, das sind circa 50 000 Stück, ergeben 120 Kilogramm Rohseide; die abgewickelten Fäden, die nicht zu Haspelseide verarbeitet werden können, gehen in die Schappe- und Bouretteseidenproduktion. Insgesamt entsteht nur sehr wenig Abfall, weil selbst die getrockneten Puppen noch als Nahrung dienen.
 
Während die Rohbaumwolle ohne aufwendige Aufbereitung versponnen werden kann, sind bei der Seide zunächst mehrere Auflösungs- und Reinigungsschritte notwendig: Abkochen (Entbasten), Waschen, Trocknen, Klopfen, Reißen oder Öffnen.
 
Von den Kokons werden die Seidenfäden durch Abwickeln (Abhaspeln) gewonnen. Im kochenden Wasser erweicht der Seidenleim, der die einzelnen Fadenwindungen miteinander verklebt. Da ein Kokonfaden nicht über die gesamte Länge die gleiche Feinheit besitzt, werden fünf bis zehn Kokonfäden zusammengefasst. Der Faden eines abgehaspelten Kokons muss gleich durch einen neuen ersetzt werden. Dieses »Fadenanlegen« geschieht manuell, mechanisch oder auch automatisch. Beim Glätten und Runden werden die zusammengeführten Kokonfäden durch leichte Drallgebung verdreht.
 
Von dem 2500 bis 3500 Meter langen Faden sind etwa 1200 Meter abhaspelbar (Haspelseide, Grège). Seidenstoffe werden aus drei verschiedenen Fasertypen gewonnen. Aus dem direkt vom Kokon abgehaspelten »Endlosfaden« entsteht die feine Haspelseide. Die kürzeren Fasern aus leicht beschädigten Kokons werden zu Schappeseide versponnen, und aus den kürzesten Fasern, die aus Produktionsresten und beschädigten Kokons stammen, entsteht Bouretteseide.
 
Neben dem Maulbeerspinner gibt es verschiedene frei lebende Seidenraupen, beispielsweise den Tussahspinner. Der sehr feine Faden des Maulbeerspinners ist nahezu weiß, die Wildseide des Tussahspinners ist gröber und von einer hellen goldgelben Farbe.
 
Seidenfasern sind sehr fein, glänzend, glatt und weich und daher sehr angenehm auf der Haut. Seide wirkt thermisch isolierend. Sie kühlt im Sommer und wärmt im Winter. So wie Wolle kann sie ein Drittel ihres Gewichts an Wasserdampf aufnehmen, ohne sich feucht anzufühlen. Seide ist elastisch, knitterarm, nimmt kaum Gerüche und Schmutz an. Allerdings ist Seide nicht strapazierfähig und anfällig gegenüber Säuren und Laugen.
 
Die aufwendige Produktion verhindert, dass Seide in ähnlichen Größenordnungen wie beispielsweise Wolle produziert werden kann. Daher erklärt sich auch der relativ hohe Preis für Bekleidung aus Seide.
 
 Zellulosische Chemiefasern
 
Der Wunsch, die teure Naturseide durch kostengünstigere Stoffe mit ähnlichem Aussehen und Griff zu ersetzen, ist schon alt. Aber erst vor etwa 100 Jahren gelang es, seidenähnliche Filamente aus Zellulose herzustellen, und es dauerte noch bis in die 1920er-Jahre, bis Kunstseide auf Zellulosebasis als Massenartikel für die Produktion von Seidenstrümpfen und Damenwäsche zur Verfügung stand.
 
Rohstoff für die zellulosischen Chemiefasern ist — ebenso wie für Papier — das Holz von Kiefern, Buchen, Pinien und Eukalyptusbäumen. Die Aufarbeitung des Holzes über Zellstoff zur Faser benötigt viel Energie, Wasser und Chemikalien.
 
Im ersten Schritt wird Zellstoff erzeugt, den man aus zerkleinertem Holz (Holzschliff) erhält. Die Holzspäne werden in Druckgefäßen mit Chemikalien (in Deutschland mit Sulfit- oder Hydrogensulfitlösungen) gekocht, um die Zellulose herauszulösen. Der so gewonnene Rohzellstoff muss noch gebleicht werden. Auch heute wird noch mit elementarem Chlor gebleicht, obwohl dadurch schwer abbaubare chlororganische Substanzen ins Abwasser gelangen. Chlorfreie Bleichverfahren mit Sauerstoff oder Wasserstoffperoxid sind zwar technisch möglich, in der Praxis aus Kostengründen aber eher die Ausnahme.
 
Der im ersten Schritt der Viskoseproduktion hergestellte Zellstoff wird mithilfe von Natronlauge und Schwefelkohlenstoff (CS2) gelöst. Im weiteren Verlauf wird die Lösung filtriert und entgast. Diese Masse (gelöste Zellulose) wird durch feine Spinndüsen in ein Fällbad gepresst, wo die Zellulose zu Filamenten erstarrt, die verstreckt und auf Spulen aufgewickelt werden. Da Ausgangsstoff und Endprodukt aus Zellulose bestehen, die nur anders angeordnet wurde, spricht man auch von regenerierter Zellulose.
 
Bei der Herstellung von Acetatfasern dient Aceton als Lösemittel. Triacetatfasern werden unter Einsatz des Krebs erregenden Lösemittels Dichlormethan produziert. Die Herstellung von Cupro, einer seidenähnlichen Faser, nach dem Kupferoxid-Ammoniak-Verfahren ist aufgrund der eingesetzten Kupfersalze sehr umweltbelastend und in Deutschland verboten. Es stammt zurzeit ausschließlich aus Importen.
 
Viskose macht auch heute noch den größten Anteil zellulosischer Chemiefasern aus. Lyocell steht für eine Viskosefaser, die nach einem einfacheren und umweltfreundlicheren Verfahren erzeugt wird. Als Lösemittel wird Aminoxid zusammen mit Wasser verwendet. Es entsteht eine Zellulosefaser mit vergleichsweise hoher Festigkeit und geringer Elastizität.
 
 Synthetische Chemiefasern
 
Die synthetischen Chemiefasern sind künstlich hergestellte Fasern aus monomeren organischen Rohstoffen, meist aus Erdöl-, Erdgas- und Kohleprodukten, die durch chemische Reaktionen zu polymeren Kettenmolekülen zusammengefügt werden. Während die Naturfasern komplett im Stoffwechsel der Pflanzen und Tiere entstehen, müssen in jedem Fall die Polymere und meist auch die Monomere der »man made fibres« erst chemisch synthetisiert werden. Die ersten Patente auf Synthetics wurden zwischen 1930 und 1940 erteilt, ihren wirtschaftlichen Siegeszug traten sie aber erst — von den USA ausgehend — in den 1950er-Jahren an. Als erster Massenartikel wurden hauchdünne Nylonstrümpfe gefertigt, die zuvor nur für Reiche erschwinglich waren.
 
Die synthetisch gewonnenen Polymere, meist Granulate, müssen weiter aufbereitet werden, damit sie zu Fasern geformt werden können. Durch Erhitzen oder mittels Lösemittel entsteht eine zähflüssige Masse, die durch feine Spinndüsen gepresst wird und in einer Flüssigkeit oder im Luftstrom erstarrt. Die Düsen haben einen Durchmesser von ein bis acht Zentimeter mit bis zu 250 000 Öffnungen, die 0,05 bis 0,12 Millimeter groß sind. Je nach Form der Austrittsöffnung einer Spinndüse bilden sich unterschiedliche Faserquerschnitte aus.
 
Je rascher sich die Kunstfaserfilamente verfestigen, desto höher können die Abzugsgeschwindigkeiten sein, ohne dass die Fasern reißen oder Bruchstellen bekommen. Heute werden Fasern mit einer Geschwindigkeit von bis zu 6000 Metern in der Minute abgezogen. Durch das rasche Abziehen der Filamente richten sich die Molekülketten verstärkt parallel aus. Dabei bilden sich regelmäßig geordnete Bereiche aus, die der Faser Festigkeit verleihen.
 
Für die Weiterverarbeitung werden die Filamente nach dem Abziehen meist noch ein weiteres Mal zur Erhöhung der räumlichen Ordnung in der Faser verstreckt, wobei sich der Verstreckungsgrad nach dem späteren Einsatzzweck richtet.
 
Zur Herstellung von Filamentgarnen wird das Filamentbündel aus einer Spinndüse zusammengefasst und auf jeweils eine Spule aufgewickelt. Zur Herstellung von Spinnfasern, die man als Ausgangsprodukt für die Garnherstellung benötigt, führt man mehrere Filamentbündel zu einem dicken Strang (Kabel) zusammen, das daraufhin verstreckt, gekräuselt und fixiert (thermisch vorbehandelt) wird. Dann wird es zu Spinnfasern geschnitten, die anschließend zu Garnen versponnen werden.
 
Chemiefasern haben meist eine glatte, wenig strukturierte Oberfläche. Je glatter aber eine Faser ist, desto stärker glänzt sie. Chemiefasern sind daher glasig durchscheinend oder weiß und haben einen speckigen Glanz. Neben der Veränderung der Oberfläche kann die Faser durch Zusatz von Titandioxid als Weißpigment schon beim Spinnprozess mattiert werden. Auch ist bei der Faserherstellung bereits eine Färbung (Spinnfärbung) möglich, die den Vorteil besitzt, besonders haltbar zu sein.
 
Chemiefasern haben einen seifigen Griff und sind schlechter verspinnbar als strukturierte Fasern. Die Stoffe sind wenig schiebefest und neigen daher stark zu Pilling (Knötchenbildung an der Stoffoberfläche). Sie isolieren nur wenig gegen Kälte und sind sehr luftdurchlässig.
 
Um die Eigenschaften von Chemiefasern zu verbessern und denen von Naturfasern anzunähern, behandelt man sie in der Textilveredelung durch mechanische oder chemische Verfahren nach.
 
Synthetische Fasern haben eine hohe Festigkeit, nehmen wenig Feuchtigkeit auf, quellen daher kaum und haben einen niedrigen Schmelzpunkt. Sie sind thermoplastisch, das heißt, sie erweichen durch Hitzeeinwirkung. Nach der Abkühlung behalten sie die neue Form. Dies nutzt man zum Beispiel aus, um Feinstrumpfhosen zu formen oder Plissee herzustellen (Thermofixieren). Zusammenfassend nennt man diese Vorgänge Texturieren.
 
Chemiefasern laden sich elektrostatisch besonders leicht auf. Dies kann sowohl bei der Verarbeitung als auch beim Gebrauch störend wirken. Während der Verarbeitung kann es zum Abstoßen (Faserflug), zum Kleben der Fasern an Maschinenteilen und zur Funkenbildung kommen, da durch die hohen Geschwindigkeiten bei der maschinellen Verarbeitung beträchtliche Reibung entsteht, die zu elektrostatischer Aufladung führt. Abhilfe schafft eine höhere Luftfeuchtigkeit. Bei Chemiefasern reicht dies alleine oft nicht aus, da sie wenig Feuchtigkeit aufnehmen und wenig quellen. Daher erhalten Chemiefasern vor der Verarbeitung eine antistatische Ausrüstung. Auf das Ausrüsten von Kleidung wird im Abschnitt Textilveredlung näher eingegangen.
 
Der Polyester Polyethylenglycolterephthalat besitzt vielseitige Eigenschaften und nimmt mit einem Anteil von 31 Prozent die Spitzenposition unter den synthetischen Chemiefasern ein. Es entsteht durch Polykondensation von Ethylenglykol mit Dimethylterephthalat, wobei das entstehende Methanol abdestilliert wird. Das Produkt ist ein Kunstharz, das so transparent wie Glas ist. Es wird bei 280 Grad Celsius geschmolzen und gesponnen.
 
Polyesterfilamentgarne werden meist texturiert, Spinnfasern werden zu feinen glatten Garnen, aber auch zu voluminösen Garnen verarbeitet. Für Bekleidungszwecke werden Polyesterfasern häufig mit Baumwolle, Viskose und Wolle gemischt. Reine Polyesterfasern werden vor allem zu Mikrofasergeweben und Fleecestoffen verarbeitet. Als Spezialfasern aus Polyester sind hochfeste und schwer entflammbare Fasertypen für technische Zwecke und als Polster- und Dekorationsstoffe in öffentlichen Gebäuden und Verkehrsmitteln im Einsatz.
 
Mikrofasern sind besonders feine Chemiefasern von maximal 1,0 dtex und damit feiner als Naturseide, die durchschnittlich 1,3 dtex aufweist.
 
Die Feinheit einer Faser in der Maßeinheit tex wird aus dem Quotienten aus Gewicht und Länge der Faser gebildet. Bezugsgröße ist eine Fadenlänge von 1000 Meter. Wenn 1000 Meter eines Fadens 50 Gramm wiegen, so beträgt die Faserfeinheit 50 tex. Die Maßeinheit dtex entspricht dem Gewicht pro 10 000 Meter.
 
Ein älteres Maß für die Garnfeinheit ist den (Denier). Diese Bezeichnung galt besonders für Seide und Chemiefaserfilamentgarne. Ein Denier ist das Gewicht in Gramm von 9000 Meter Fadenlänge, bei 40 den wiegt ein Faden von 9000 Metern 40 Gramm. Bei Feinstrumpfhosen findet man auch heute noch beide Angaben.
 
Aus Mikrofasern werden leichte, Wasser und Wind abweisende, aber dampfdurchlässige Gewebe (Wetterschutzbekleidung) hergestellt. Besonders feine Mikrofasern lassen sich aus Polyester erzeugen. Naturfasern haben große Feinheitsunterschiede, während bei Chemiefasern eine gleich bleibende Feinheit in variablen Größen hergestellt werden kann.
 
Neben den verarbeitungstechnischen Aspekten sind für die Verwendung von Fasern vor allem ihre Trageeigenschaften entscheidend. In den letzten Jahren spielen zunehmend auch ökologische, gesundheitliche und soziale Aspekte eine Rolle.
 
 Ökologische Bewertung von Textilfasern
 
Häufig wird heute die Frage gestellt: Was ist aus ökologischer Sicht sinnvoller — Chemie- oder Naturfasern? Einfach und eindeutig kann man diese Frage nicht beantworten, denn dazu ist eine Vielzahl von Aspekten zu bewerten, die sich für die verschiedenen Fasern teilweise nicht miteinander vergleichen lassen. So wird in der Chemiefaserproduktion der nicht nachwachsende Rohstoff Erdöl eingesetzt, einige Ausgangs- und Zwischenprodukte sowie Hilfsmittel sind giftig. Für Naturfasern spricht das Argument, dass sie als nachwachsende Rohstoffe fast unbegrenzt zur Verfügung stehen, vorausgesetzt Anbau- und Weideflächen sind ausreichend vorhanden. Beim konventionellen Anbau und der Gewinnung von Naturfasern zählen aber Pestizide, Dünger und weitere Hilfsmittel zu Problemstoffen für Mensch und Umwelt. Damit Naturfasern ökologisch unbedenklich sind, müssen sie kontrolliert biologisch angebaut werden. Chemiefasern beanspruchen dagegen keine Acker- oder Weideflächen und benötigen weder Dünger noch Pflanzenschutzmittel.
 
Bei der Frage nach der Hautverträglichkeit und dem Tragekomfort wird meist Baumwolle als das bevorzugte Material genannt, bei der Pflegeleichtigkeit Polyester.
 
Kleidungsstücke aus 100 Prozent Chemiefasern haben eine doppelt so hohe Lebensdauer wie Bekleidung aus Naturfasern. Tatsächlich hat die Faserhaltbarkeit allerdings kaum Einfluss darauf, wie lange eine Textilie verwendet wird. Die Nutzungsdauer liegt in den Wohlstandsgesellschaften deutlich unter der Haltbarkeit; die Kleidung wird häufig bereits ausgemustert, bevor sie verschlissen ist. Die aktuelle Mode, die finanziellen Verhältnisse des Konsumenten und das soziale Umfeld bestimmen in erster Linie die Verwendungszeit von Kleidung.
 
Während Naturfasern — bis auf die Veredlungschemikalien — problemlos verrotten, bleiben Synthetics auch auf den Müllkippen lange erhalten. Mischfasern aus Natur- und Chemiefasern können, im Gegensatz zu sortenreinen Kunststoffen, nicht recycelt werden.
 
Bei der Verbrennung von Zellulosefasern sowie Polyester und Polypropylen entstehen Kohlendioxid und Wasser. Stickstoffhaltige Fasern wie Wolle, Seide, Polyamid und Polyacryl entwickeln Stickoxide. Ob sich giftige Substanzen wie etwa Dioxine bilden, ist abhängig von der Textilausrüstung, der Temperatur und der Sauerstoffzufuhr bei der thermischen Entsorgung.
 
Wichtig für eine Beurteilung der einzelnen Fasern in ökologischer, gesundheitlicher und sozialer Sicht ist also, wie die Fasern angebaut beziehungsweise gewonnen wurden, wie und unter welchen sozialen Bedingungen sie weiterverarbeitet werden.
 
Für welche Fasern man sich beim Textilkauf entscheidet, hängt schließlich auch noch vom Verwendungszweck und nicht zuletzt vom persönlichen Empfinden ab.
 
Dr. Cornelia Voss, Bonn
 
Weiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:
 
Textiltechnik: Garne
 
Grundlegende Informationen finden Sie unter:
 
Textilien: Geschichte der Herstellungstechniken
 
 
Adebahr-Dörel, Lisa, u. a.: Kleine Textilkunde. Hamburg 151997.
 Adebahr-Dörel, Lisa / Völker, Ursula: Von der Faser zum Stoff. Textile Werkstoff- und Warenkunde. Hamburg 311994.
 
Beurteilungsmerkmale textiler Faserstoffe, bearbeitet vom Bundesinstitut für Berufsbildung, Berlin. 4 Bände. Bielefeld 1986.
 
Fachwissen Bekleidung, Beiträge von Hannelore Eberle u. a. Haan 51998.
 
Grundlagen textiler Herstellungsverfahren, bearbeitet von Rolf Goldacker u. a. Leipzig 1991.
 Haudek, Heinz W. / Viti, Erna: Textilfasern. Herkunft, Herstellung, Aufbau, Eigenschaften, Verwendung. Perchtoldsdorf 1980.
 Heudorf, Claus: Warenverkaufskunde für den Textilhandel. Rinteln 51994.
 Schierbaum, Wilfried: Bekleidungs-Lexikon. Berlin 31993.
 Seiler-Baldinger, Annemarie: Systematik der textilen Techniken. Neuausgabe Basel 1991.
 
Textile Faserstoffe. Beschaffenheit und Eigenschaften, herausgegeben von Wolfgang Bobeth. Berlin u. a. 1993.

Universal-Lexikon. 2012.

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